… Hallo?
«Hallo? ... Hussein, Junge, wo steckst du denn? Hier ist Siavash. Wieso ist dein Handy aus? Jetzt versuch‘ ich, dich zu Hause anzurufen, und da gehst du auch nicht ans Telefon. Alle machen sich Sorgen. Die anderen kannst du vielleicht so abwimmeln, aber mich nicht. Was ist los? Wenn du früher so drauf warst, hast du wenigstens mir noch Bescheid gesagt. Kein Scherz, mein Lieber, ruf mich so schnell wie möglich zurück, ich mache mir Sorgen um dich. Eigentlich ruf’ ich ja an, weil eine Tour in den Norden ansteht. Akbar und Meysam sind auch dabei und wir nehmen alle unsere Freundinnen mit. Hussein, falls du diese Nachricht hörst: Reiss dich zusammen und komm mit. Ohne dich ist es nicht dasselbe. Du kannst auch deine neue Freundin mitnehmen. Dass du mit Schirin Schluss gemacht hast, weiss ich längst. Ich finde sie ganz gut … Jetzt, wo ihr nicht mehr zusammen seid, kann ich ja mal bei ihr vorbeischauen … Ich mach’ bloss Witze, vielleicht hast du dich ja wieder mit ihr vertragen … Also diese Mahtab, mit der du jetzt rumhängst, na, die ist auch nicht schlecht. Keine Ahnung, wie du mit deinem hässlichen Gesicht den Frauen immer so den Kopf verdrehen kannst. Ich versteh’s echt nicht. Wie auch immer, ich hab’ gestern mit dieser Mahtab gesprochen. Die war vielleicht wütend, weil du einfach dein Handy ausgeschaltet hast. Sie hat dich gesucht und wollte deine Adresse wissen und wie sie dich bei dir zu Hause erreichen kann. Hab’ ich ihr natürlich nicht verraten. Du hättest dich wahrscheinlich aufgeregt. Nicht mal nach weiblicher Gesellschaft ist dir gerade, hm? Ach komm, Hussein, wo immer du bist, schnapp dir Mahtab und fahr mit mir und den Jungs in den Norden. Lass was von dir hören. Wir müssen mal ein bisschen hier rauskommen! Mahtab findet die Idee auch gut, sag’ ich ja. Für dieses Versteckspiel brauchst du übrigens eine ziemlich gute Entschuldigung, andernfalls wäre ich echt stinksauer auf dich. Ich warte auf deine Nachricht. Tschüss.» ...
«Hallo? Hallo, Herr Siamaki? Hier ist Herr Mohseni aus dem Büro. Herr Siamaki, seit mehreren Tagen erscheinen Sie nicht bei der Arbeit und ich kann dieses verstiegene Verhalten einfach nicht mehr länger billigen. Ihrem Onkel zuliebe war ich geduldig mit Ihnen, denn ich achte Ihren Onkel sehr und verdanke ihm viel, aber ich kann die Abläufe hier im Büro nicht ständig vollkommen durcheinanderlaufen lassen, nur weil Sie nicht da sind. Mehrmals schon haben Sie sich wegen Krankheit beurlauben lassen oder weil Sie persönliche Probleme haben, ständig kommen Sie zu spät oder tauchen gar nicht erst auf. Sowohl die Kunden als auch die Kollegen sind sehr unzufrieden. Alles, was Sie nicht schaffen, müssen Ihre Kollegen für Sie auffangen. Auch jetzt, wo Sie schon seit Tagen nicht mal mehr ans Telefon gehen. Wir können Sie nicht länger beschäftigen und ich werde mich dieses Mal auch nicht mehr auf die Vermittlungsversuche Ihres Onkels einlassen. Bitte lassen Sie sich hier so schnell wie möglich blicken, wir müssen uns unterhalten. Schönen Tag!» …
«Hallo … Hallo, Hussein, hier ist dein Onkel. Mein lieber Hussein, wo bist du denn? Ich habe ein paar Mal bei dir vorbeigeschaut, aber du warst nie zu Hause. Dein Handy ist aus und jetzt gehst du wieder nicht ans Telefon. Ich bin ratlos, was fehlt dir denn? Ich werde aus den Problemen von euch jungen Leuten wirklich nicht schlau. Herr Mohseni hat mich angerufen und mir von deinen Fehlzeiten berichtet. Ich hatte den Eindruck, dass dir die Arbeit dort gefällt, habe ich mich da getäuscht? Hör mal, mein lieber Hussein, der Herr Mohseni ist wirklich ein guter Mensch, aber ich kann den armen Mann verstehen. Ich habe es jedenfalls geschafft, ihn noch einmal umzustimmen. Ein allerletztes Mal. Ich beschwöre dich, bitte geh morgen zur Arbeit oder sag endlich, warum du nicht gehen magst, damit alle wissen, woran sie sind und wie sie sich verhalten sollen. Ich würde auch versuchen, eine andere Arbeit für dich zu finden. Aber erst einmal muss ich genau verstehen, wo das Problem liegt. Du hast dich sehr von deiner Verwandtschaft entfernt. Deine Mutter ist in ein anderes Land gegangen, dein Vater zurück ins Dorf. Du solltest wenigstens den Kontakt zu den Verwandten, die du hier hast, pflegen. Es tut dir nicht gut, so viel allein zu sein. Hussein, Lieber, ich will doch nur dein Bestes. Wenn du möchtest, spreche ich mit deinem Vater. Vielleicht kannst du eine Weile zu deiner Mutter nach Frankreich gehen, bis du wieder auf andere Gedanken kommst. Deine Mutter würde sich sicher auch freuen. Oder du gehst erst einmal ins Dorf, zu deinem Vater, wenn dir der Sinn mehr danach steht. Dort würde es dir hundertprozentig besser gehen. So oder so, es ist deine Entscheidung. Melde dich bei mir, du bereitest mir Sorgen. Es ist ja nicht das erste Mal, aber deinen armen Onkel belastet es immer wieder aufs Neue. Ruf mich an, sobald du kannst. Pass auf dich auf, Gott behüte dich.» …
«Hussein, Sweetie, hey. Wieso gehst du denn nicht ran? Hör mal, es ist nicht besonders nett, ein Mädchen, das du gerade erst kennengelernt hast, so zu quälen. Ich hatte schon vor, mich einfach still zurückzuziehen, aber ich wollte nicht so feige sein und Schluss machen, ohne dir zu sagen, warum. Für deine Festnetznummer habe ich die Jungs lange angebettelt und ich werde dir kaum verraten, wer sie mir gegeben hat. Dabei ist es jetzt eigentlich auch egal. Ich bin so wütend, dass du es fertigbringst, mich einfach so abzuservieren. Ich dachte, wir verstehen uns gut, wir beide. Aber wow, wenn es schon so anfängt, will ich gar nicht wissen, wie es enden würde. Vielleicht hast du wirklich ernsthafte Probleme, du erzählst ja nicht mal deinen Freunden, was los ist. Sie haben mir erzählt, dass sie einen Trip in den Norden planen. Ich wäre gerne mit dir und deinen Freunden ein paar Tage weggefahren. Ich lege jetzt auf. Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass du dich noch meldest. Aber es nützt ja nichts. Ich würde so gern wissen, wo du jetzt gerade bist und was du machst. Nun, ich werde schon noch dahinterkommen. Pass auf dich auf, Schatz. Bye, mein Lieber.» …
«Hallo – Hussein! Hussein, kannst du verdammt noch mal ans Telefon gehen? Du machst mich fertig, sogar von hier aus muss ich mich um deinen Scheiss kümmern. Wieso plagst du deinen Onkel so? Deine Mutter hat mir viel Unmut beschert, als sie uns verlassen hat und ins Ausland gegangen ist. Aber im Gegensatz zu ihr ist ihr Bruder ein feiner Kerl. Wenn seine Schwester ein bisschen mehr wie er geraten wäre, würden wir ein ganz anderes Leben führen. Du beschämst mich vor deinem Onkel. Ständig rede und rede ich auf dich ein und rede mir doch nur Fransen an den Mund. Als Vater habe ich dir alles gegeben! Als du klein warst, hat es dir an nichts gefehlt – was hätte ich bloss anders machen müssen? Ich wollte manchmal strenger mit dir sein, aber deine Mutter hat es nicht zugelassen. Jetzt ist sie weg und ich muss zusehen, wie ich mit dir zurechtkomme. Dein Onkel schlägt vor, dass du mal eine Zeit lang wegfährst, entweder zu deiner Mutter oder zu uns ins Dorf. Ich denke, du solltest zuerst ins Dorf kommen. Bleib erst einmal ein bisschen hier. Dann kannst du von mir aus auch zu deiner Mutter fahren, aber wie ich schon sagte, zuerst kommst du hierher. Deine Tante und dein Onkel vermissen dich. Ich verspreche dir, du wirst hier eine gute Zeit haben. Ich weiss doch, was euch jungen Menschen in diesem Alter so viel Schmerz bereitet. Komm, deine Tante hat hier ein Mädchen für dich ausgeguckt, sie wäre eine grossartige Ehefrau. Mir gefällt sie. Dir wird sie sicher auch gefallen. Überleg es dir gut und steig von deinem hohen Ross. Lass das mit diesem sinnlosen Trotz und denk einmal nicht nur an dich. Lass dir gesagt sein, dass ich meine monatlichen Zahlungen einstellen werde, wenn du so weitermachst. Ich werde auch dafür sorgen, dass du kein Geld mehr von deiner Mutter erhältst, verstehen wir uns? Offenbar muss man dich so lange dazu zwingen, jeden Tag zur Arbeit zu gehen, bis du gelernt hast, deinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Sobald du wieder einen anderen Weg einschlägst, werde ich alles für dich tun, was ein Vater tun kann. Ich hoffe, das war deutlich. Denk darüber nach und ruf mich an. Gib acht auf dich, auf Wiedersehen.» …
«Hallo … Haaaaaalllooo … Mensch, du bist ja immer noch verschwunden. Ich mache mir echt Sorgen. Ich hab’ jetzt schon jede einzelne Person, die ich kenne, angerufen und nach dir gefragt, aber anscheinend hast du dich in Luft aufgelöst. Du Fuchs bist bestimmt klammheimlich zu deiner Mutter gefahren. Schön ab ins Ausland und hast mich längst vergessen. Ich werde mir die Nummer deiner Mutter besorgen und da mal durchklingeln. Also, ich bin jetzt schon im Norden. Wir sind gestern zusammen losgefahren, du bist ja nicht aufgetaucht. Ist nicht dasselbe ohne dich, sagte ich ja schon. Du kannst echt was erleben, wenn du mir das nächste Mal unter die Augen kommst. Wie auch immer, in ein paar Tagen sind wir wieder da. Wir sind übrigens in dem Häuschen von Meysams Vater. Heute hab’ ich es geschafft, hier ein Mädchen anzusprechen, ohne dass meine Freundin davon was mitbekommen hat, ein bisschen so, wie du das immer machst. Ich hab’ sogar ihre Nummer bekommen. Wärst du dabei gewesen, hätte ich die Gelegenheit bestimmt verpasst. So gesehen ist es auch nicht so schlimm, dass du nicht aufgetaucht bist. Wer weiss, vielleicht nehmen wir meine neue Bekanntschaft ja auf unsere nächste Reise mit. Mahtab wäre echt gerne mitgekommen, aber ohne dich wollte sie nicht. Sie ist ein tolles Mädchen, du solltest sie zu schätzen wissen. Ich geh’ jetzt etwas für heute Abend einkaufen, es gibt ein grosses Abendessen. Du fehlst hier. Ich bin weg, meld dich, ja? Ich rufe morgen Abend wieder an, mein Lieber, gute Nacht.» …
«Hallo! Ach, mein lieber Neffe, endlich nimmst du den Hörer ab ... – Was? Polizei? ... Was sagen Sie, ist passiert? ... Wie … Nicht möglich, was soll das heissen? ... Nicht möglich …»