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Spaziergang mit Ruth Schweikert

Ein Text von Shukri Al Rayyan

Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender

Ein Spaziergang mit Ruth Schweikert war alles andere als Routine, glauben Sie mir. Ist man zu zweit oder mit mehreren unterwegs, das wissen Wanderer instinktiv, sollte ein Mindestmass an Kommunikation gegeben sein, allein schon, um die Strecke zu verkürzen. Je ausgeprägter die Fähigkeit zur Kommunikation, desto kürzer die Strecke und desto grösser die Freude. Mit Ruth war es mehr als nur kürzer und freudvoller. Mit ihr war es echt, das ist der entscheidende Unterschied. Ein Spaziergang mit ihr war eine unvergessliche Begegnung und hinterliess bei allen, die das Glück dieser Erfahrung hatten, einen bleibenden Eindruck.

Es geht um mehr als das Gespräch allein. Mit Ruth flossen die Worte auf eine Weise, die sich vorstellen kann, wer schon einmal mit einem Kind spazieren war, das alles aufsaugen will, sogar die Luftpartikel, die sein Gesicht beim Gehen streifen. Sie hatte etwas wirklich Neues und leicht Herausforderndes an sich. Es war ihre Art zu gehen. Jumana, meiner Frau, ist das vor mir aufgefallen. (Frauen haben eine ganz eigene Intuition, die oft der männlichen Fähigkeit vorausgeht, Schlüsse zu ziehen, die sich in einem Wort zusammenfassen lassen). Sie sagte zu mir: „Hast du bemerkt, dass Ruth die ganze Strecke über nie neben uns geht? Sie läuft vor uns her, hinter uns oder manchmal auch neben uns… Sie umkreist uns… Sie ist ein Schmetterling!“

Bevor wir die vielen Stufen hinauf zum Schloss Burgdorf erklommen, einen Weg, den wir zum ersten Mal mit Ruth gingen (wir wussten überhaupt nicht, dass es ihn gibt und dass er zum Schloss führt), deutete Ruth auf den Beginn des Wegs und sagte: „Auf dem Schild da steht, dass dies das Tor der armen Sünder ist.“ Und noch ehe wir die neuen Informationen verarbeiten konnten, hörten wir sie sagen: „Dann mal los!“ Und schon war sie hinter der Tür verschwunden, an der meine Frau und ich bestimmt schon ein paar hundert Mal vorbeigegangen waren, ohne zu ahnen, dass es sich um eines der Schlosstore handelt – in dieser Stadt, in der wir zu dem Zeitpunkt, als wir Ruth kennenlernten, bereits fünf Jahre lang gelebt hatten. Wir mussten uns beeilen, sie einzuholen, und dann keuchend versuchen, beim Aufstieg mit ihr Schritt zu halten, und wie immer schwebte sie vor uns her.

Heute, da ich versuche, diese Erinnerung an Ruth festzuhalten, habe ich mich mit der Geschichte des Schlosses beschäftigt, um mehr über den Hintergrund des Namens dieses Tores und seiner Treppe zu erfahren. Hier das, was ich gefunden habe: „Auf diesem Weg gingen die zum Tode verurteilten ‚armen Sünder‘ von der Burg hinab zum Richtplatz.“

Ohne es zu wissen, sind wir also mit Ruth den Weg der „armen Sünder“ gegangen, allerdings in entgegengesetzter Richtung. Nicht dem Richtplatz, sondern dem Leben zu… Am Ende der Treppe stand Ruth auf der letzten Stufe vor der Burgmauer und wartete auf uns. Wir werden nie vergessen, wie sie sich dort hinaufschwang, uns voraus in Richtung Leben.

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